Die digitale Bilderflut und das ungewollte Plagiat…

In der vergangenen Woche erfuhr ich per Facebook von einem Plagiatsfall der selten dummdreistdämlichen Sorte, der mich nur sprachlos mit dem Kopf schütteln ließ.

Der bekannte Münchner Fotograf Nick Frank – aka „ISO 72“ – entrüstete sich – völlig zurecht, dass ihn ein „Kollege“ kopiert und mit diesen Kopien sogar schon den ein oder anderen Wettbewerb gewonnen habe. Nun gut, jetzt bin ich nicht unbedingt der emotionale Typ, der sofort reflexartig „Skandal“ brüllt und jede Shitstormwelle reitet, aber meine Neugier war geweckt und da der Geschädigte die Website des dubiosen Herrn direkt verlinkt hatte, wurde flott mal eben recherchiert, was es mit dem Trubel denn überhaupt auf sich hatte.

Was soll ich sagen?

Im ersten Moment dachte ich, Herr Frank hätte im ersten Dampf versehentlich seine eigene Seite verlinkt! Hab erst gar nicht geschnallt, was ich da sehen durfte: die in der Szene nun nicht gerade unbekannten Arbeiten von Nick Frank mehr oder weniger 1:1 kopiert. Nicht eins, nicht zwei – Dutzende! Und nicht nur das, sogar ganze Sets wurden exakt identisch zusammengestellt. Wohlgemerkt, immerhin hatte sich dabei jemand wirklich große Mühe gegeben! Es handelte sich nämlich nicht um eine Kopie der Originale im eigentlichen Sinne, so á la Copy&Paste – da hatte sich jemand tatsächlich aufgemacht, jeden Originalschauplatz höchstselbst aufzusuchen und die Aufnahmen aus den exakt gleichen Aufnahmewinkeln bei gleichem Lichteinfall nachzustellen. Das Ganze führte ihn dann schlussendlich bis nach Hongkong, was ja bekanntlich ein gutes Stück jenseits der Stadtgrenze Münchens liegt. Bemerkenswert…

Ich dachte ja, nach dem VW-Skandal überrascht mich bezüglich systematischen Bescheißens nichts mehr so leicht, aber da lag ich wohl falsch!

Die eigene Denkfabrik begann zu arbeiten: was geht in einem Kopf vor, der glaubt, mit einer Nummer dieser Dimension unentdeckt bleiben zu können – in Zeiten von viraler Verbreitung, sozialer Vernetzung und Bildersuchmaschinen? Empfand er wohl so etwas wie Stolz, als er mit dem geklauten und kopierten Gedankengut eines anderen einen Wettbewerb gewann? Hat er danach ruhig schlafen können und morgens mit dem gleichen Selbstwertgefühl in den Spiegel blicken können? Für mich kaum vorstellbar…

Mein Résumé des Ganzen:

Vorbilder imitieren, deren Vorgehensweisen studieren und zu eigenen Lernzwecken kopieren und weiterzuentwickeln ist legitim und dieses Vorgehen ist wahrscheinlich so alt wie die Höhlenbilder von Lascaux. Mit fremden Federn schmücken sich dagegen nur Arschlöcher, schließlich erntet man Ruhm, der einem anderen gebührt und man bringt sich letztlich um das Beste: den Stolz auf das Werk, das man selbst erschaffen hat.

Kurzum: ich wähnte mich vom Plagiat so weit entfernt wie die berühmte Kuh vom Fallschirmspringen.

Was ich dabei jedoch im ersten Moment völlig übersah, war die allzeit latente Gefahr des „unbeabsichtigten Plagiats“. Das gemütliche Stöbern in der aktuellen Ausgabe des Magazins „Fotoespresso“ öffnete mir gerade eben die Augen für die Problematik: im ersten Moment war ich mir sicher, eins meiner eigenen Fotos aus Rotterdam abgedruckt zu sehen. Hatte ich einen Wettbewerb gewonnen ohne davon erfahren zu haben? Hatte ich überhaupt an einem Wettbewerb teilgenommen, und dann auch noch mit einer Farbaufnahme? Mitnichten, denn den Ruhm erntete offensichtlich ein holländischer Kollege und das schon zwei Jahre bevor meine Aufnahme überhaupt entstanden war.

Ein Beispiel dieser von mir völlig unbeabsichtigten „Plagiate“:

gefunden in der aktuellen Ausgabe des Fotoespresso: Blaakse Bos (Cube Houses), Rotterdam; Fotograf: Cor Boes

gefunden in der aktuellen Ausgabe des Fotoespresso:
Blaakse Bos (Cube Houses) – Rotterdam, 2013; Fotograf: Cor Boes

Blaakse Bos, Rotterdam 2015; eigenes Portfolio

Blaakse Bos – Rotterdam, 2015; aus meinem eigenen Portfolio

das gleiche Motiv in der von mir bevorzugten monochromen Fassung

das gleiche Motiv in der von mir bevorzugten monochromen Fassung; © Andre Kurenbach

In jedem Fall kann ich guten Gewissens behaupten, nicht wissentlich geklaut zu haben. Das Bild des Kollegen war mir vorher nicht bekannt, noch hatte ich vor den Reisen gezielt nach Bildern von Rotterdams Sehenswürdigkeiten gesucht, um mich inspirieren zu lassen.

Das tue ich nämlich grundsätzlich nicht, um mir einen frischen und unbefangenen Blick zu bewahren.

Ich war vielmehr völlig frei und unvoreingenommen an einem Ort, der mich begeisterte und in diesem Zusammenhang sind dann Bilder entstanden, die meine persönliche Sichtweise widerspiegeln. Nicht mehr und nicht weniger. Scheinbar hatte jemand vor mir die gleiche Bildidee, hmm, okay! Soll ja vorkommen, doch was für Konsequenzen muss ich jetzt für mich ziehen, wenn ich ein Bild veröffentlichen will, wie im Falle der Aufnahme „Blaakse Bos“, die sich mittlerweile für jeden sichtbar in meinem 500px-Portfolio befindet oder ein Bild bei einem Wettbewerb einreichen möchte?

Muss ich jetzt vor jeder Veröffentlichung intensivste Webrecherche betreiben, ob meine Aufnahme vielleicht so oder so ähnlich anderswo wohlmöglich schon existiert? Eine Frage, auf die ich für mich noch keine abschließende Antwort gefunden habe, aber irgendwie sträube ich mich gegen diese Vorstellung.

Fotografie ist für mich kein Wettbewerb, in dem man sich mit anderen messen oder gegen die man ein Rennen gewinnen muss. Sie ist vielmehr Ausdrucksform für das persönliche Sehen, das Empfinden einer speziellen Situation und die Spiegelung des eigenen Inneren.

Was spiegle ich bitte, wenn ich wissentlich ganze Werkserien eines anderen Fotografen kopiere?

Ein erster Ansatz, um der Gefahr des unbeabsichtigten Plagiats aus dem Wege zu gehen, ist wahrscheinlich zuallererst das Verlassen ausgetretener Pfade und der konsequente Weg zur eigenen Bildsprache. Auch wenn das bedeutet, am Mainstream vorbei zu produzieren und die Arbeiten dadurch ihre Massentauglichkeit verlieren, sollte man auf die innere Stimme hören und in Kauf nehmen, dass sich die „Likes“ im einstelligen Bereich einpendeln. So what? Vielleicht sollte ich auch das unkontrollierte Konsumieren von Bildern im Web ein wenig reduzieren, um mir den eigenen Blick nicht zu verstellen…

…to be continued!

2 Gedanken zu „Die digitale Bilderflut und das ungewollte Plagiat…

  1. zeitlauf

    Schwierige Thematik… ich denke die selben Probleme gibts in der Musik, was ist wenn man eine Melodie schreibt die es, ohne es zu wissen, schon irgendwo auf der Welt fast ident gibt. Aber ich denke wie du schon gesagt hast am besten einen eigenen Weg finden und sich gar nicht zu viel den Kopf zerbrechen über unbeabsichtigtes plagiieren. LG Peter

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  2. dosenkunst

    Ich glaube auch, es kommt auf die eigene Sicht der Dinge an. Will man Fotografie selbst als Kunst, als eigenen Ausdruck, seine Sicht der Dinge wissen, sollte man einfach drauf los fotografieren. Wenn es dann andere gibt, die ähnlich schauen. Wieso auch nicht? Das Bild der JH in Amsterdam hätte (oder habe ich?) ähnlich fotografiert, dort ist das ja auch sehr schlüssig. Steil nach oben, besten Ausschnitt wählen. Fertig.
    Und die Handwerker gibt es immer und überall, die Geld verdienen wollen und dann z.B. in der Malerei Bilder kopieren um sie zu verkaufen. Wenn man nicht selbst Geld verdienen will, kann einem das ja herzlich egal sein.
    Ich selbst habe dutzende von Bildbänden im Regal von mir lieben Fotografen, schau sie mir gerne an und lerne. Und wenn ich an Orten bin, von denen ich Bilder gesehen habe, warum nich nochmal so fotografieren? Zumal später im Rechner Ausschnitt und Nachbearbeitung sowieso zu anderen Ergebnissen führen.

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